Podiumsdiskussion zum Irak-Konflikt

Die Vorgänge rund um den Irak – die diesbezüglichen Diskussionen und Entscheide im Weltsicherheitsrat, der Aufmarsch von amerikanischen und britischen Truppen in der Golfregion, das Ringen um Krieg und Frieden in der UNO, schliesslich die militärische Intervention der USA und ihrer Verbündeten – haben auch die Schülerschaft des Literargymnasiums Rämibühl bewegt und aufgewühlt.

Angesichts der tiefen Betroffenheit zahlreicher Schülerinnen und Schüler sowie angesichts des grossen Interesses, welches der Irak-Konflikt bei ihnen geweckt hatte, beschloss die Schulleitung am 10. März, zu diesem Thema am Montag, 24. März, 15.15-17.00 Uhr, eine Podiumsdiskussion mit der ganzen Schülerschaft durchzuführen. Die US-Botschaft sowie die französische Botschaft in Bern wurden angefragt, ob sie bereit wären, je einen Vertreter an einer solchen Veranstaltung mitwirken zu lassen.

Rasch und spontan kam die Antwort; sie war in beiden Fällen sehr erfreulich und positiv. Die amerikanische Botschaft kündigte an, dass sie ihren Public Affairs Officer, Herrn Bruce Armstrong, entsenden würde, und die französische Botschaft beschloss, sich durch ihren Ersten Botschaftssekretär, Herrn Eddie Bouttera, repräsentieren zu lassen. Diese beiden Diplomaten haben den Standpunkt ihrer Regierung zum Irak-Konflikt hervorragend vertreten, und sie haben es verstanden, sehr differenziert darzulegen, aus welchen Erwägungen ihr Land die eigene politische Linie ableitet beziehungsweise aus welchen Gründen es seine konkrete Position vertritt.

Am Podiumsgespräch nahmen auch zwei Mitglieder des Lehrkörpers teil, nämlich Prof. Dr. Kurt Maeder als Fachvorstand Geschichte des Literargymnasiums sowie die Altphilologin und Historikerin Dr. Monika Beckedorf-Gasser, welche den arabischen Raum dank zahlreichen Studienreisen aus eigener Anschauung sehr gut kennt. Ebenso wirkten zwei Schülervertreter mit, nämlich Christina Hug (Klasse 6b) und Carlo Grete (Klasse 6a). Die Gesprächsleitung lag bei Prorektor Dr. Huldrych Thomann. Die Veranstaltung wurde durch eine Begrüssung von Rektor Christoph Baumgartner eröffnet.

Nachdem alle Podiumsteilnehmer ausführlich zu Wort gekommen waren – die beiden diplomatischen Vertreter der Vereinigten Staaten und Frankreichs hatten unter anderem die Position ihrer Regierung im Detail darlegen können – , erhielt auch das Publikum Gelegenheit, Stellung zu nehmen, Statements zu formulieren oder Fragen zu stellen. Diese Möglichkeit wurde intensiv genutzt, und nur aus äusseren Gründen (einzelne Podiumsteilnehmer hatten an jenem Abend noch andere Verpflichtungen) sah sich der Gesprächsleiter veranlasst, die Diskussion um 17.00 Uhr abzuschliessen. Zweifellos hätte man lange weiter reden, Fragen stellen, Probleme aufzeigen, Ansichten austauschen können, und es wäre dabei niemandem langweilig geworden!...

Der Anlass legte Zeugnis ab von einer hohen Gesprächskultur und von einem Geist echter Toleranz. Er hat bei allen Beteiligten ein hervorragendes Echo gefunden. Auch verschiedene Medien haben darüber berichtet, so die Zeitung 20 Minuten, der Sender Radio 24 und Radio DRS (Regionaljournal Zürich bzw. "Echo der Zeit").

Dr. H. Thomann, Prorektor

Bericht

Wie sehr das Thema die Schüler- und Lehrerschaft bewegt, wurde deutlich sichtbar: Über 400 Personen fanden sich in der Mensa ein, um sich über die verschiedenen Standpunkte aus erster Hand orientieren zu lassen und gemeinsam darüber zu diskutieren.
Rektor Christoph Baumgartner dankte in einer kurzen Begrüssungsansprache allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihre Bereitschaft, an diesem Podium teilzunehmen. Es brauche Mut, sich zu aktuellen Themen zu äussern, sich zu exponieren und Stellung zu beziehen. Dies erfordere unseren Respekt und werde, so hoffe er, auch unsere eigene respektvolle Haltung gegenüber allen Personen und Meinungen bestimmen.
Die Podiumsteilnehmer von links nach rechts: Carlo Grete, Schüler der Klasse 6a / Dr. Monika Beckedorf-Gasser, Altphilologin und Historikerin / Bruce Armstrong, Public Affairs Officer der US-Botschaft / Dr. Huldrych Thomann, Prorektor (Gesprächsleitung) / Eddie Bouttera, Erster Botschaftssekretär der franz. Botschaft / Christina Hug, Schülerin der Klasse 6b / Prof. Dr. Kurt Maeder, Historiker
Dr. Huldrych Thomann, der Prorektor des Literargymnasiums, übernahm die Gesprächsleitung. In einer ersten Runde konnten die beiden Botschaftsvertreter die Position ihres Landes darstellen, die anderen Podiumsteilnehmer wurden nach ihren Gefühlen beim Ausbruch des Krieges befragt. In einer zweiten Runde wurden eher spezifischere, "schwierigere" Fragen beantwortet, bevor dann in einem dritten Teil auch das Publikum Fragen stellen konnte.
Bruce Armstrong rechtfertigte die amerikanische Position und somit den Krieg gegen den Irak mit den Argumenten, dass Saddam Hussein einerseits mit den Massenvernichtungswaffen und seinen Beziehungen zum Terrorismus eine Gefahr darstelle, andererseits man nach 12 Jahren Erfahrung gesehen habe, dass die Diplomatie keine Fortschritte bringe. Auf die Frage, ob denn die Weltsicherheit nicht gefährdet sei, wenn sich die USA über den Sicherheitsrat hinwegsetzen, antwortete Bruce Armstrong auf zwei Ebenen. Einerseits sei aus der Sicht der USA die Berechtigung zu einem Krieg bereits durch vorgängige UNO-Resolutionen gegeben. Andererseits werde die Weltordnung eher untergraben, wenn die UNO nicht den Mut habe, Resolutionen durchzusetzen - so erscheine sie unglaubwürdig.
Eddie Bouttera erklärte, dass auch Frankreich der Meinung sei, dass der Irak entwaffnet werden müsse. Dazu sehe man aber zur Zeit nur die Waffeninspektionen durch die UNO als geeignetes Mittel. Die Folgen eines Krieges seien zu hoch, zudem bestehe die Gefahr, dass diese Region gleichermassen "explodiere" und es so zu einem Anstieg des Terrorismus kommen könnte. Eddie Bouttera betonte, dass die Koalition USA – Frankreich immer bestanden habe und auch weiter bestehe. Es existiere keine Grundopposition, denn man habe einen gemeinsamen Feind, den Terrorismus. Doch wie dies auch in einer Familie der Fall ist, sei man nicht immer gleicher Meinung.
Christina Hug betonte, dass ein Krieg erst die allerletzte Lösung sei. Ein Krieg, der nur auf Vermutungen basiert, sei erst recht nicht zu verantworten. Sie sprach auch die Frage an, ob denn ein Krieg gerechtfertigt sei, bei dem unzählige Menschen gefährdet werden, nur um eine menschenverachtende Person zu fassen. Die USA habe sich über die UNO und somit über die ganze Welt hinweggesetzt.
Wenn man Krieg als "ultima ratio" sehe, stelle sich die Frage, ob denn nun schon "ultima" sei, so Kurt Maeder. Die USA habe ihre Kraft bisher in den Dienst der UNO gestellt, was zur Illusion einer von allen getragenen Weltordnung geführt habe. Der jetzige Alleingang der USA sei demgegenüber eine Rückkehr zum alten System der vom Stärkeren formulierten Machtpolitik. Dies sei nicht erstaunlich, da die UNO keinerlei Druck auf die USA ausüben könne. Die Amerikaner seien ohne Zweifel in der Lage, diesen Krieg zu gewinnen, sie würden die Lage nach dem Krieg aber nicht alleine in den Griff bekommen.
Durch Krieg könnten sehr wohl Probleme gelöst werden, doch entstünden dadurch noch viele weitere, neue Probleme.
Frau Monika Beckedorf-Gasser bedauerte, dass einmal mehr über Muslime bzw. Araber gesprochen werde und nicht mit ihnen, da auch heute kein Vertreter dieser Seite anwesend sei. Sie schilderte zudem ihre Eindrücke beim täglichen Fernsehen. Als Reaktion auf die Bilder zu den gefangenen US-Soldaten habe Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gesagt: "So etwas würden wir nie tun." Monika Beckedorf erinnerte aber an die afghanischen Gefangenen, die von den USA ohne völkerrechtliche Grundlage in exterritorialem Gebiet in Guantanamo auf Kuba gefangen gehalten würden.
Sie hofft, dass die Schweiz die humanitären Möglichkeiten durch das IKRK (mit Sitz in Genf) möglichst gut ausschöpft; dies sei das Wichtigste, was wir als Schweizer gegen den Krieg tun könnten.
Carlo Grete wurde darauf angesprochen, ob denn den jugendlichen Demonstranten auf der Strasse bewusst sei, welche Menschenrechtsverletzungen das Regime Husseins durch den Völkermord an den Kurden begangen habe. Er meinte, dass vielen wohl kaum wirklich bewusst sei, wofür oder wogegen sie wirklich demonstrieren würden.
Aus dem Publikum kamen verschiedenste Fragen zu diesem Themenkreis:
Führen die Amerikaner diesen Krieg nicht aus wirtschaftlichen Gründen? Wie wird der Prozess der Demokratisierung des Iraks nach dem Krieg aussehen? Wäre nicht die Milderung der Armut das beste Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus?
In einer abschliessenden Runde konnten die Podiumsteilnehmer nochmals ihre wichtigsten Anliegen darlegen und ihre Position verdeutlichen.
Mit dem Hinweis von Prorektor Thomann, dass damit die Diskussion nicht einfach abgeschlossen sei, wir uns vielmehr auch weiterhin intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen müssten, wurde die fast 2-stündige Gesprächsrunde beendet.
Der abschliessende herzliche Applaus des Publikums galt – ganz im Sinne des eingangs formulierten Geistes des Respekts – allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Podiums in gleichem Masse.

M. Kraft / H. Gubler